Lehrer, Schüler und Eltern demonstrieren in Mannheim für mehr Geld für die Bildung
„Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Bildung klaut,“ skandieren die Demonstranten, als sie am Samstagnachmittag durch die Breite Straße ziehen. Mehrere hundert Eltern, Kinder, Lehrkräfte und Erzieherinnen sind unterwegs vom Alten Meßplatz zum Schloss. „The BildungsLÄND first“: Unter diesem Titel steht die Protestaktion, zu der Gesamtelternbeirat (GEB) und Gewerkschaft GEW aufgerufen haben.
Dabei geht es vor allem um die Situation an Schulen und Kitas. Iris Wittemann artikuliert während des Zugs die zahlreichen Forderungen laut und deutlich per Megafon, zum Beispiel ausreichende Krankheitsvertretungen, mehr Fachkräfte-Ausbildung, kleinere statt größere Kita-Gruppen und Klassen.
In ihrer Schule sei die Lage noch halbwegs gut, berichtet eine Lehrerin dem „Mannheimer Morgen“. Fast alle Deputatsstunden konnten besetzt werden, die Zahl der Krankheitsfälle sei (noch) sehr überschaubar. Dennoch müssten Kolleginnen ersetzt werden, was zum Beispiel dazu führe, dass ihre Sprachförderstunde für eine kleine Schülergruppe mit mangelnden Deutschkenntnissen immer mal wieder auf der Strecke bleibe, weil sie kurzfristig als Vertretung einspringen müsse.
Und an manch anderer Schule sieht es bereits deutlich schlechter aus. Die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Ricarda Kaiser berichtet dem „MM“, was ihr die Leiterin einer Mannheimer Ganztagsschule erzählt hat: „Es ist aktuell so, dass drei Kolleginnen mit vollem Deputat krank sind. Es fehlen 78 Stunden, es gibt keine Vertretung.“ So müssten bereits jetzt Klassen zusammengelegt werden.
Dabei sollte eigentlich eine Vertretungsreserve zur Verfügung stehen – Lehrkräfte, die bei Ausfällen einspringen können. Aber diese Vertretungsreserve, die in den Vorjahren in der Regel zumindest ein paar Monate lang Luft verschaffte, ist aktuell fast aufgebraucht.
Zu große Klassen
„Es stört mich, dass es viel zu wenige Lehrer gibt für zu viele Kinder“, sagt die elfjährige Carla, die die sechste Klasse eines Gymnasiums besucht: „Da reicht die Zeit manchmal nicht, dass alle Fragen stellen, und sie haben Probleme bei den Arbeiten, weil sie nicht alles verstanden haben. Ich fände es sehr gut, wenn wir weniger Schüler wären“, derzeit sind 32 in der Klasse. Eine Gymnasiallehrerin aus Mannheim bestätigt: „Man strampelt sich ab und weiß, dass man den Schülerinnen und Schülern nicht gerecht werden kann. Das ist frustrierend.“
In ihrem Redebeitrag am Schloss freut sich Ricarda Kaiser darüber, dass Eltern, Kinder und Lehrkräfte gemeinsam „ein Zeichen setzen und die Probleme öffentlich machen“. An den Schulen gebe es einen „Teufelskreis aus Überlastung und Lehrkräftemangel und dann wieder neuem Lehrkräftemangel, der durch Überlastung entsteht“. Wenn dem nicht Einhalt geboten „und endlich mehr Stellen geschaffen und die Studienplätze erhöht werden, wird sich nichts ändern“. Schule sei mehr als Lesen, Schreiben, Rechnen. Musische und sportliche Aktivitäten, AGs, Förderunterricht: „Das geht nur, wenn wir Personal haben, das Zeit und die Qualifikation hat, sich darum zu kümmern.“ Viel Hoffnung, dass sich die Lage kurzfristig bessert, hat Kaiser aber nicht. Bei den jetzt beginnenden Haushaltsberatungen des Landes werde im besten Fall der unbefriedigende Status quo erhalten werden können.
Sabine Leber-Hoischen, Vertreterin von verdi, hält das derzeitige System für „nicht zukunftsfähig“. Es sei ein Unding – Stichwort Vergrößerung von Kita-Gruppen – „im vorschulischen Bereich Standards zu verschlechtern“. Damit gefährde man nicht nur den Bildungserfolg, das sei auch ein „Schlag ins Gesicht“ für pädagogische Fachkräfte. Der Mannheimer DGB-Vorsitzende Ralf Heller zeigt sich ebenfalls solidarisch mit den Demonstranten.
„Bildung ist für uns ein absolutes Herzensanliegen“, so der FDP-Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier. Land und Stadt müssten „ihre Hausaufgaben machen“ und für bessere Bedingungen sorgen. Seine Bundestags-Kollegin Gökay Akbulut (Linke) hält die Lage an Kitas und Schulen für „absolut untragbar“.
Kritik an Grünen-Abgeordneten
Katharina Funck, bildungspoltische Sprecherin der Mannheimer CDU-Fraktion, bezeichnet es als „das Wichtigste, dass Sie hier sind, dass Sie Präsenz zeigen, dass Sie dem Thema Bildung mehr Aufmerksamkeit verschaffen“. Aber sie hätte sich „gewünscht, dass ein paar mehr politische Vertreter heute hier sind und ein Zeichen setzen“.
Dass die Grünen fehlen und deren Landtagsabgeordnete Elke Zimmer und Susanne Aschhoff stattdessen am Vortag den GEB kritisiert haben, missfällt auch Ricarda Kaiser: „Ich hätte mir gewünscht, dass sie heute und hier Rede und Antwort stehen und klar benennen, was sie tun wollen, um konkrete Verbesserungen an unseren Schulen und Kitas zu schaffen – und das nicht über eine Pressemitteilung machen.“
Zum Abschluss der Protestaktion bringt es GEB-Chef Thorsten Papendick auf den Punkt: „Unsere größte Forderung ist, dass wirklich jetzt mehr Geld in Bildung investiert wird. Ohne die nötigen Investitionen werden wir nicht vorwärtskommen.“
Quelle: Mannheimer Morgen (Bertram Bähr)