„Schönster“ Totenschein für baden-württembergisches Schulsystem
„Darauf können wir dann stolz sein“, bemerkt der Vorsitzende des Landeselternbeirates Baden-Württemberg (LEB) Carsten T. Rees, „dass wir bundesweit den schönsten Totenschein für unser Schulsystem haben werden!“
Der Landeselternbeirat sieht sich durch vielfältige Lernstandserhebungen und Bildungsstudien, aber auch durch Äußerungen renommierter Bildungswissenschaftler wie Prof. Dr. Trautwein oder Prof. Dr. Sliwka in seiner seit vielen Jahren vorgetragenen Kritik an der ungenügenden Weiterentwicklung des baden-württembergischen Schulsystems mehr als bestätigt. Tatsächlich haben viele Landesregierungen die Meinung der Eltern immer wieder als bloßen Wunsch nach „mehr Geld“ für die Bildung abgetan.
Und ebenso haben viele Landesregierungen immer weiter an der Bildung gespart und so das Bildungs- und Schulsystem in unserem Land trotz mannigfacher Warnungen aus ganz verschiedenen Richtungen an den Rand des Abgrunds getrieben.
Und was ist nun die aktuelle Antwort der Landesregierung auf dieses Dilemma? Die Verwaltung soll umfangreich umgebaut werden, man erhofft sich nicht näher bezifferte Synergieeffekte und eine noch bessere Diagnose der desolaten Situation unseres Schulsystems und damit auch unserer Schul- und Bildungspolitik. Nicht nur hohe Verwaltungsbeamte haben hierzu in der Stuttgarter Zeitung vom 16.04.2018 ihre Zweifel geäußert.
Dabei stellt sich der LEB keineswegs gegen eine solide Diagnostik in unserem Schulsystem. Alleine die Art, wie hier seitens des Kultusministeriums unter größtmöglicher Umgehung der aktiven Einbindung vieler Akteure und Betroffener agiert wurde, hat uns doch sehr verwundert.
Nun, die Kultusministerin wenigstens ist optimistisch. Sie hofft, dass wir eine effizientere Verwaltung bekommen – nach den nötigen Findungsprozessen und Einarbeitungszeiten der neuen Behörden.
Sind hier 3 Jahre Stillstand als zu kurz anzusetzen?
Es wäre so schön – aber eine effizientere Verwaltung löst nicht die extrem drängenden Probleme, die durch eine völlig unzureichende Lehrerversorgung im Land entstehen. Die Ansätze der Landesregierung kann man hier selbst mit größtem Wohlwollen allenfalls als Flickschusterei bezeichnen.
Am Moritz´schen Diktum, wonach man nur den Unterricht verbessern kann, der auch wirklich stattfindet,
kommt man nicht so einfach vorbei. Auch wenn manche Schulbehörden schon dazu übergegangen sind, den Unterrichtsausfall mit – sagen wir – „extrem kreativen“ Methoden zu verschleiern.
So hat ein Staatliches Schulamt einem Grundschulrektor, der krankheitsbedingt mit stark geschrumpftem Kollegium dastand, untersagt, Unterricht ausfallen zu lassen. Er solle stattdessen mit den Klassen in die Turnhalle gehen und diese parallel unterrichten.
Ist jetzt der Klassenteiler 100 Schüler der neue Lösungsansatz?
Aber die drängenden Probleme wirklich anzugehen, wird Geld kosten, sehr viel Geld („It’s gonna take plenty of money to do it right child“).
Was aber macht die Landesregierung und was machen die Regierungsfraktionen? Die CDU-Fraktion legt ein Standortpapier vor, bei dem sich die AfD-Fraktion beklagt, man habe hier Positionen der AfD umfänglich einfach kopiert, und viele Fachverbände schütteln entsetzt den Kopf.
Und die Kultusministerin setzt eben auch auf noch mehr „Diagnostik“ – oder sollten wir nicht treffender sagen „Pathologie“ unseres Schulsystems. Denn die drängendsten Probleme kennen wir doch wirklich zur Genüge. Nun muss endlich entschlossen gehandelt werden, man wird eben viel Geld in die Hand nehmen müssen und das alleine wird nicht reichen.
Die Kultusministerin wird sich entscheiden müssen, ob sie als Pathologin unseres Schulsystems in die Geschichte des Landes eingehen möchte oder ob sie es wagt, die nötigen Schritte entschlossen anzugehen (nein – bitte nicht noch mehr Studien!).
Die Grüne Landtagsfraktion wiederum bitten wir, bei unserem Schulsystem von Beileidsbezeugungen am offenen Grab Abstand zu nehmen. Bei den Grünen hat es in letzter Zeit gute Gespräche und ermutigende Ansätze gegeben. Aber nun müssen die Grünen ernsthaft entscheiden, ob sie diesen Worten auch Taten folgen lassen wollen, oder ob sie sich erneut über den Tisch ziehen lassen wollen, wie etwa bei der Reform des Wahlrechts.
Sonst haben wir irgendwann wirklich nur den Trost des „schönsten“ Totenscheins für unser Schulsystem.
Eltern mit schulpflichtigen Kindern müssten wir dann allerdings ehrlicherweise empfehlen, möglichst schnell in ein anderes Bundesland umzuziehen.
Pressemitteilung des Landeselternbeirates Baden-Württemberg